Giro: Nach zwei mannschaftsdienlichen Wochen will Brändle sich unter die Ausreißer mischen

25. Mai 2021
Veröffentlicht in Straße

Nur eine kurze Ausfahrt stand für Matthias Brändle (Israel Start-Up Nation) am zweiten Ruhetag des 104. Giro d’Italia am Programm. Der Grund war das Wetter, erneut Regen, der dann am Nachmittag endete. Aber nicht nur auf Sonnenschein hofft der Hohenemser, sondern auch auf einen Tag in der Ausreißergruppe. Denn nach dem erlittenen Zeitrückstand von Kapitän Dan Martin spielt das Gesamtklassement keine übergeordnete Rolle mehr für den 31-Jährigen und seine Aufgaben bei der diesjährigen Italien-Rundfahrt.

"Ich bin ganz gut durch die zwei Wochen gekommen und hatte keine wirklichen Schwierigkeiten, auch wenn ich nicht so der Bergfahrer bin", berichtete der Vorarlberger vom zweiten Ruhetag. Noch warten fünf Etappen, bis der Tross der Italien-Rundfahrt das Ziel in Mailand erreicht. "Ich hätte gerne mal angegriffen und mich unter die Ausreißer gemischt, aber das war teamtaktisch nicht möglich noch", meinte der ehemalige Stundenweltrekordler, der mit Rang neun im Eröffnungszeitfahren sein bestes Tagesergebnis stehen hat bislang.

"Die 15. Etappe hätte ich mir dick angestrichen gehabt, am Ende hätte ich wohl eine ähnliche Taktik wie Sieger Campenaerts gewählt", bedauerte Brändle, der von seiner Mannschaft an diesem Tag ausgewählt war, um an der Seite von Dan zu bleiben, falls einsetzender Wind zu einer Teilung im Feld führen würde. "Radsport ist nun mal ein Mannschaftssport", fügte der Österreicher an.

0525 Brändle ISN Noa Arnon 01

Doch seit der verkürzten Königsetappe, als sein Kapitän Martin mit einem Ausreißversuch alles auf eine Karte setzte, am Ende aber über sieben Minuten auf Egan Bernal (Ineos Grenadiers) verlor und aus den Top Ten rutschte, haben sich auch für die Israel Start-Up Nation die Voraussetzungen für die finale Giro-Woche verschoben: "Wir können und werden jetzt sehr offensiv fahren, damit wir eine Etappe gewinnen können."

Dabei entdeckt der Österreicher wohl auch eine eigene Chance auf ein Ergebnis zu fahren vor dem abschließenden Zeitfahren, welches ihm ebenfalls entgegenkommen könnte. Denn der 18. Tagesabschnitt könnte etwas für eine größere Ausreißergruppe sein unter die sich auch die Israel-Fahrer mischen wollen. "Wir sind nur mehr fünf Fahrer und da kannst du über einen so langen Tag nicht das Feld kontrollieren um auch noch im Schlusssprint gut aufgestellt zu sein", meinte Brändle, angesprochen auf die Möglichkeit mit Spurter Davide Cimolai noch etwas in Richtung Maglia Ciclamino zu probieren und einen Feldsprint in Stradella nach 231 Kilometern zu erzwingen.

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Ganz kampflos wird Cimolai Sagan aber die Punktewertung nicht überlassen, der Rückstand von 22 Punkte ist angesichts der drei Bergetappen und des Zeitfahrens aber nur schwer aufzuholen. Allerdings wird die Sonderwertung auch für Bora – hansgrohe nur ein kleiner Trost sein, angesichts des Ausfalls von Gesamtwertungsfahrer Emanuel Buchmann im Massensturz auf der 15. Etappe. In diesem Crash wurde auch Brändle involviert: "Es ist direkt vor mir passiert, ich konnte noch abbremsen, aber einige der Jungs dahinter haben das nicht geschafft und so gab es noch einen Auffahrunfall."

Brändle, der den ebenfalls in Westösterreich lebenden Buchmann gut kennt, sah die Situation rund um den Ravensburger. "Es ist schade, denn er war in guter Form und hätte sicher gute Chancen gehabt, hier noch was zu zeigen. Vor allem für das Team ist es ein harter Schlag den Leader auf solche Weise zu verlieren", wusste Brändle. Den Massencrash selbst, ordnete er als Pech ein: "Wir hatten Rückenwind dort, es war einfach ein blöder Zufall. Hätte es nicht am Weg von der Lagune gescheppert, dann wohl mit Sicherheit ein wenig später."

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Die ersten beiden Wochen waren aber vor allem durch das regnerische und schlechte Wetter geprägt. Normal habe der Österreicher den Giro immer in schöner Erinnerung. Zur Verkürzung der 16. Etappe meinte der 31-Jährige: "Es war voll in Ordnung. Bei vier anstehenden Abfahrten war es eine gute Entscheidung. Wir waren ja so auch noch fünf Stunden bei heftigen Regen und kalten Temperaturen im Sattel."

Der Israel-Profi absolvierte den finalen Anstieg im Gruppetto und wusste von den Schwierigkeiten auf einer solchen Etappe zu berichten. "Wir haben ja nur zwei Betreuerautos, sind aber fünf Fahrer, die teilweise versprengt im Rennen unterwegs sind. Aus dem Auto kannst Du dir trockene Klamotten holen und warme Getränke, aber wenn du irgendwo zwischen unseren Fahrzeugen bist, hast du nichts", schilderte Brändle.

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Vor dem Anstieg hinauf zum Passo Giau zog er sich sogar nochmals um: "Das war wichtig, weil frische Klamotten den Körper wieder ein wenig mehr wärmen." Im Gruppetto ging es dann gemeinsam den Dolomitenriesen hoch. Warum die Fahrer aber dann in Kleingruppen ins Ziel kamen, wusste der Österreicher zu erklären: "Oben haben sich Fahrer vor der letzten Abfahrt teilweise um- oder zusätzliche Jacken angezogen. Und dann kam noch dazu, dass bergab viele ein unterschiedliches Tempo gewählt haben. Wir wussten ja, dass wir gut in der Karenzzeit liegen."

Ein großes Highlight ist dann noch für den Zeitfahrspezialist der abschließende Kampf gegen die Uhr auf der 21. Etappe in Mailand. "Vor allem der Leistungsvergleich ist bei einer Grand Tour immer spannend. Wie verändert sich das Vermögen nach drei Wochen", blickte Brändle voraus, der hofft, dann in Mailand, das neue, schnellere Material seines Herstellers erstmals testen zu können.

Fotos: Israel Start-Up Nation/Noa Arnon

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