Kette rechts - RBL # 9 - Raiffeisen-GP Judendorf/Straßengel

13. September 2017
Veröffentlicht in Radliga News

Der italienische UCI-Kommissar Granziera Celeste war nach dem Rennen hörbar angetan über das Judendorfer Rennen. Der erfahrene Funktionär aus dem Veneto, seit 27 Jahren international im Radsportgeschäft, schwärmte: „Tutto bene, tutto posto, veramente!“

Was sinngemäß übersetzt bedeutet, dass er ohne Abstriche in jeder Hinsicht mit der Veranstaltung wirklich zufrieden war. OK-Chef Roland Eberl wird’s gerne gehört haben: Schließlich soll im nächsten Jahr angesichts der WM in Tirol der Raiffeisen-Grand Prix eventuell sogar als UCI 1.1 Rennen ausgerichtet werden. Dann könnten wenige Tage vor dem WM-Rennen sogar World-Tour-Teams in Judendorf begrüßt werden. „Freilich würde das einige zehntausend Euro an Mehrkosten verursachen“, so der ehemalige Rennfahrer, der in seinem zweiten Jahr als OK-Chef aber erneut Nägel mit Köpfen bei diesem Radrennen gemacht hat. Beim 20. Raiffeisen-Grand Prix im nächsten Jahr soll dann die neue Strecke zehn Mal gefahren werden – was einen echten 200er abgeben würde.

Der renommierte Grazer Autohaus Edelsbrunner war einer der Hauptsponsoren das Rennens: fünfzehn große Peugeot-Modelle wurden der Organisation zur Verfügung gestellt, für Rennleiter, Mechaniker, Punkterichter, VIP-Betreuung etc. Den UCI-Status des Rennens konnte man überhaupt am Umfang der Organisation erkennen: 26 Motorräder, insgesamt 21 Autos für Rennleitung, Absicherung, Begleitung, dazu die 19 Betreuerfahrzeuge bei der Elite und zehn bei den Junioren. Für die Absicherung der 20 km-Rundstrecke waren rund fünfzig Feuerwehrleute und zwanzig Polizeibeamte verantwortlich.

Im letzten Moment gescheitert war das Antreten des Nationalteams aus Uganda. Die Afrikaner hatten zwar alle Papiere für die Einreise beisammen, wollten kurzfristig aber zwei Ersatzfahrer nominieren – und da waren die Mühlen der Bürokratie nicht mehr schnell genug, trotz eines regen Schriftverkehrs mit den entsprechenden Botschaften im In- und Ausland. Mit insgesamt 136 Elitefahrern konnte der heurige Grand Prix dennoch mit dem bisher größten Starterfeld aufwarten.

Im Zielbereich des Rennens kam die Gastronomie wie in den vergangenen Jahren nicht zu kurz. Das Catering für die erfreulich vielen Rennbesucher besorgte das renommierte Gasthaus Lammer, das seit Jahren immer die ausländischen Rennfahrer des Judendorfer Rennens beherbergt. Mit dem amerikanischen Team hatten die Wirtsleute besondere Freude: Begeistert stürzten sich die Amis auf Wiener Schnitzel mit Pommes, gleich vier Tage lang war das Team „Rally Cycling“ im örtlichen Gasthof untergebracht und bedankte sich mit einem spektakulären Tagessieg für die steirische Gastfreundschaft. Auch das Kuchen-Buffet im Festzelt mit 25 (!) verschiedenen Köstlichkeiten, gebacken von den Damen des örtlichen Radclubs, „verdient schon das Prädikat UCI 1.1,“ scherzten manche zufriedene Besucher.

Die Nachwirkungen der Südböhmen-Rundfahrt, an der fast die gesamte Bundesliga teilgenommen hatte, waren noch in Judendorf bemerkbar. Vor acht Tagen waren in Tschechien rund sechzig (!) Rennfahrer von einer vermuteten Lebensmittel-Infektion betroffen gewesen, in Judendorf musste sogar das gesamte Feldbinder-KTM-Team passen, das nur mehr zwei einsatzfähige Rennfahrer zur Verfügung gehabt hatte.

Das amerikanische Team stand bei der Siegerehrung vor erfreulich vielen Zuschauern naturgemäß im Mittelpunkt. Tagessieger Adam de Vos hat holländische Wurzeln, sein Vater ist vor dreißig Jahren in die USA emigriert, Sepp Kuss – nomen est omen – spricht noch ganz gut Deutsch und verweist auf Verwandte in Bayern und einen Großonkel in Kitzbühel. Die Amis werden nach ihrem Auftritt in der Steiermark nun mehrere Herbstklassiker in Italien bestreikten, u.a. die Coppa Agostini. Dabei ist „Rally Cycling“ nur ein Continental-Team, gehört also der dritten Kategorie an. Die Amis, die heuer im Frühjahr einige Rennen in Portugal und Spanien bestritten hatten, werden aber nächstes Jahr in die zweithöchste Liga als Pro-Conti-Team aufsteigen. Mit Patrick Mccarty verfügen die Amerikaner über einen prominenten Ex-Profi als sportlichen Leiter, der bei US-Postal unterwegs war und 2005 auch bei der Österreich-Rundfahrt gestartet ist.